Vermittlungskriterien auf dem Prüfstand


Am 14. November 2014 verhandelte das Sozialgericht Berlin zum zweiten Mal über die Klage der Schauspielerin Rebecca M. gegen die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV).

Rebecca M. mit ihrem Anwalt Christian Zimmer – Foto: Philipp Plum

Am 14.11.2014 verhandelte das Sozialgericht Berlin über die Klage der Schauspielerin Rebecca M. gegen die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV). Rebecca M. hatte nach erfolgreichem Abschluss der Schauspielausbildung an ihrer privaten Schauspielschule bei der ZAV beantragt, in deren Künstlerkartei aufgenommen zu werden. Besonders für Berufsstarter ist die Aufnahme in diesen nach Angabe der ZAV "größten Künstlerpool Deutschlands" von sehr großer Bedeutung, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, da potentielle Arbeitgeber (Theater, Produktionsfirmen, etc.) gezielt diese Kartei nach passenden Künstlern abfragen bzw. die Vermittlung durch die ZAV daraus erfolgt.

Während die Absolventen staatlicher Schauspielschulen stets in die Künstlerkartei aufgenommen werden, müssen die Absolventen privater Schauspielschulen hierfür eine besondere "Eignungsdiagnostik" vor Vertretern der ZAV absolvieren. Dabei soll nach Angaben der ZAV geprüft werden, ob die Kandidaten fähig sind, in einer Vorsprechsituation ihr Repertoire abzurufen. Rebecca M. wurde nach dem Vorsprechen von der ZAV mitgeteilt, dass bei ihr die "fachlichen Voraussetzungen" für die Aufnahme in die Vermittlungskartei nicht gegeben seien, ohne dies weiter zu präzisieren. Die ZAV beruft sich zur Begründung ihrer Entscheidung vor allem auf ihr allgemeines Ermessen bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden und ihre Erfahrung bei der Künstlervermittlung. Im Rahmen des Ermessens sei es ihr überlassen, wie sie die Vermittlung ausgestalte, ein generelles Recht auf Aufnahme in die Künstlerdatei gebe es nicht.

Da der Widerspruch von Rebecca M. erfolglos blieb, muss nun das Sozialgericht entscheiden. Im Klageverfahren geht es zum einen um die Frage, ob es überhaupt gerechtfertigt ist, die Absolventen staatlicher und privater Schauspielschulen bei der Aufnahme in die Künstlerkartei unterschiedlich zu behandeln, obwohl die Ausbildungsinhalte in vielen Fällen vergleichbar sind. Ferner wurde geklärt sein, ob die ZAV berechtigt ist, eine maßgeblich subjektiv bestimmte Bewerberauswahl zu treffen, ohne die konkreten Bewertungskriterien offenzulegen. Denn welche konkreten „fachlichen Voraussetzungen“ es sind, die Rebecca M. angeblich fehlen sollen, wurde von der ZAV im Prozess bis heute nicht dargelegt.

Rechtanwalt Christian Zimmer, der Rebecca M. in dem Verfahren vertritt, erklärt dazu: "Dass die ZAV ein Ermessen bei der Art der Vermittlung hat, kann nicht heißen, dass sie willkürlich auswählen darf, wer in die Künstlerkartei aufgenommen wird und wer nicht. Gerade weil die Bedeutung dieser Kartei für Künstler so hoch ist, muss das Aufnahmeverfahren transparent und überprüfbar sein. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen im Prozess scheint aber genau das Gegenteil der Fall zu sein. Eine stichhaltige Begründung für die Nichtaufnahme meiner Mandantin in die Künstlerkartei hat die ZAV bis heute nicht geliefert. Auch ihre angeblich 'anspruchsvollen Kriterien' für die Aufnahme gibt die ZAV nach wie vor nicht preis. Wir treten deshalb nachdrücklich dafür ein, dass diese nach unserer Auffassung rechtswidrige Praxis beendet wird."

Die Verhandlung fand am 14.11.2014 im Sozialgericht Berlin statt.

Während des Prozesses erklärten Frau Darius und Herr Brückner von der ZAV Berlin, dass die Absolventen staatlicher Schulen automatisch – und bereits ohne jemals von den Vermittlern gesehen worden zu sein – in die Kartei aufgenommen und den Theatern präsentiert werden. Sie würden sich aber bemühen, anschließend die Absolventen in den Intendantenvorsprechen der staatlichen Schulen anzuschauen.

Die Absolventen privater Schauspielschulen hingegen müssen einen Termin bei der ZAV vereinbaren oder sprechen, je nach Bundesland, als Jahrgang dort vor. Die Vermittler der ZAV treffen dann eine Entscheidung, ob sie den Vorsprechenden für vermittelbar halten oder nicht. Weiter führte Frau Darius aus,  dass sie sehr genau die Wünsche der Theater kenne und an Hand dieses Bedarfs die Vermittelbarkeit beurteilen könne. Es ginge, so Frau Darius, in erster Linie darum, den Theatern geeignete Schauspieler vorzuschlagen und nicht darum, Schauspieler in Lohn und Brot zu bringen.

Zur Begründung, dass die ZAV Berlin die Absolventen der privaten Schulen zu sich in die Agentur für Arbeit zitieren, hieß es, dass Vorsprechen in den Räumlichkeiten der Schulen die Leistungen der Absolventen im geschützten Raum der Schulen positiv verzerren würden. Dass die Absolventen der staatlichen Schulen auf den Bühnen ihrer Schulen vorsprechen und dort von den Vermittlern besucht werden, ist offenbar etwas anderes.

Die ZAV hat den Vorschlag der Richterin zur Lösung des Konfliktes, die klagende Schauspielerin noch einmal vorsprechen zu lassen, kategorisch abgelehnt mit der Begründung, die Schauspielerin sei sicher nicht besser geworden – und nun auch zu alt. In Ihrem Alter gebe es Hunderte von Schauspielerinnen, die schon eine Vita hätten.

Vier Jahre hat die Schauspielerin auf ihren Verhandlungstermin beim Berliner
Sozialgericht warten müssen.

Weiter hieß es, auf transparente Beurteilungskriterien können sie verzichten, so Frau Darius, weil sie und ihre Kollegen über genügend Berufserfahrung verfügen, dies würde Kriterien ersetzen.

Wir finden es richtig, dass das Verfahren der ZAV unter juristischen Gesichtspunkten überprüft wird. Auf dem Prüfstand stehen die ungleiche Behandlung staatlicher und privater Schulen, die kriterienfreie Bewertungspraxis der ZAV sowie die Qualifikation der Vermittler selbst. Herr Brückner antwortete auf die Frage nach der Qualifikation von Herrn Melzer, er wüsste es nicht, "vermutlich irgendetwas mit Film".

Ein Urteil ist Mitte Dezember zu erwarten. Es ist wahrscheinlich, dass eine Seite nicht einverstanden damit sein. Mit einer Berufung ist zu rechnen.

Ein Auszug aus dem ZAV-Report der Zeitschrift ca:st kann hier heruntergeladen werden. Die gesamte Geschichte ist zugänglich für angemeldete Benutzer.



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